Unternehmensnachfolge

16. Januar 2023, 7:00 Uhr | Jessica Stütz
Wir konnten mit Benjamin Stocksiefen (links) und René Träder am Rande des Creaton Zukunftstages in Hamburg über ihre Erfahrungen bei der Unternehmensnachfolge sprechen (Foto: Creaton)

Benjamin Stocksiefen hat vor zehn Jahren das Holzbau-Unternehmen seines Vaters übernommen. Das war ein anstrengender Prozess, der die Nerven aller strapazierte, doch dank eines Coachings letztlich erfolgreich endete. dachbau magazin hat mit Benjamin Stocksiefen und mit dem Coach René Träder über die Fallstricke in einem solchen Transformationsprozess gesprochen.

Wir konnten mit Benjamin Stocksiefen (links) und René Träder
am Rande des Creaton Zukunftstages in Hamburg über ihre Erfahrungen bei der Unternehmensnachfolge sprechen (Foto: Creaton)
Wir konnten mit Benjamin Stocksiefen (links) und René Träderam Rande des Creaton Zukunftstages in Hamburg über ihre Erfahrungen bei der Unternehmensnachfolge sprechen (Foto: Creaton)

dachbaumagazinHerr Stocksiefen, Sie haben vor zehn Jahren das Familienunternehmen von Ihrem Vater übernommen. Wann haben Sie gemerkt, dass die Übergabe nicht glatt lief?

Benjamin Stocksiefen: Migräne und Kopfschmerzen waren sichere Anzeichen dafür, dass mein Stresspegel zu hoch war. Auch im Team lief es nicht rund, das Verhältnis zu meinem Vater wurde schwierig, weil ich andere Dinge wichtig fand als er. Außerdem kannte ich noch keine Techniken, wie man solche Konflikte lösen kann, und so ging der Druck schließlich auf meine Gesundheit.

René Träder: Der Körper kommuniziert so: Es geht mir nicht gut, meine Belastungsgrenze ist überschritten. Dann muss man schauen, welche Werkzeuge man hat, um die Symptome, aber auch den Auslöser des Stresses zu bearbeiten. Dann hilft es natürlich, wenn auch die andere Seite mit zu einem Coaching geht. Doch das geht oft nicht ohne Widerstand und ist ein bisschen wie bei einer Paartherapie: Einer will, der andere nicht. Da kann man nur immer wieder miteinander reden und erklären. Vor allem sollte man nicht sauer sein, denn Widerstand ist bei Veränderungsprozessen völlig normal. Irgendwann stößt man dann hoffentlich auf ein offenes Ohr.

Herr Stocksiefen, was hat das Coaching Ihrer Familie gebracht?

Benjamin Stocksiefen: Zunächst sind wir getrennt zum Coach gegangen, damit jeder ganz frei seine Sicht auf die Dinge erzählen konnte. Später waren es dann gemeinsame Termine. Dabei stellte sich oft heraus, dass wir eigentlich das Gleiche wollten – nur mit unterschiedlichen Mitteln.

Beim Coaching stellte sich heraus, dass wir eigentlich das Gleiche wollten.

Haben Sie denn das Unternehmen Ihres Vaters sofort komplett umgekrempelt?

Benjamin Stocksiefen: Nachdem ich 2012 meinen Meister abgeschlossen hatte, habe ich das Unternehmen übernommen und erst einmal alles so gemacht wie mein Vater vorher. Ich war sozusagen der »Undercover-Boss«, die Rollenverteilung war noch nicht so klar. Alle Neuerungen, die ich dann nach und nach gestartet habe, wurden von meinem Vater kritisch gesehen. Was soll der Quatsch mit den YouTube-Videos? Wir sollten doch Dächer richten und nicht die Zeit mit der Kamera vertrödeln. Dass es etwas bringt, wurde meinem Vater erst viel später klar, denn heute kommen die Leute zu uns und möchten gern ein ganzes Haus von uns kaufen oder bei uns arbeiten. Das bringt bei viel weniger Projekten pro Jahr eine viel höhere Wertschöpfung.

René Träder: Das Problem bei der Weiterentwicklung des Betriebs sind die unterschiedlichen Erwartungen der Generationen. Für die Älteren wirkt es manchmal wie eine feindliche Übernahme innerhalb der Familie. Gerade dann ist Kommunikation wichtig. Man muss ja nicht nur die Familie, sondern auch das Team mitnehmen. Alle müssen die Chance haben, ihren Widerstand auch auszusprechen und sich gemeinsam neu zu finden. Es stärkt auch die Resilienz im Team, wenn alle merken: Wir können Teil der Veränderung und Mitgestalter sein. Leider muss man manchmal auch schauen, wer nicht mehr in die neue Kultur passt. Und natürlich ist für die ältere Generation das Loslassen oft ein ganz schwieriger Prozess, denn sie hat das Unternehmen ja über Jahrzehnte erfolgreich geführt. Für sie kann sich jede Veränderung wie Kritik an ihrer Lebensleistung anfühlen.

Sind denn auch die rechtlichen Prozesse ein Hindernis?

Benjamin Stocksiefen: Die rechtliche Seite ist schnell erledigt. So eine Unternehmensübergabe findet meiner Meinung nach zu 95 Prozent auf der emotionalen Ebene statt – und dort liegen auch die Fallstricke. Eine Unternehmensnachfolge ist wie ein Computerspiel: Ein Problem ist erledigt, und schon kommt das nächste. Du spielst auf immer höheren Leveln und der Prozess ist nie abgeschlossen. Du kannst alles machen – aber irgendwann musst du dich auf emotionaler Ebene fragen: Spürst du eigentlich auch, dass du Chef bist?

Herr Stocksiefen, Herr Träder, vielen Dank für das Gespräch.


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