Interview des Monats

Nutzfahrzeuge

4. März 2022, 7:00 Uhr | Jessica Stütz
Randolf Unruh beschäftigt sich als Experte für Nutzfahrzeuge derzeit oft mit Elektrotransportern.

Die Politik fordert und fördert Elektromobilität. Doch worauf sollten Handwerksbetriebe beim Kauf eines neuen Transporters mit Elek­tromotor achten? dachbau magazin hat mit Fachautor Randolf Unruh gesprochen, der sich beruflich momentan intensiv mit der Welt der E­-Transporter beschäftigt.

dachbaumagazin Bislang sah das Angebot an brauchbaren E-Transportern für Handwerker dünn aus. Ändert sich das denn gerade?

Randolf Unruh: In die Szene kommt Bewegung. Bisher waren Kastenwagen im Standardformat für Paketdienste das Maß der Dinge. Jetzt starten im Segment der 3,5-Tonner die vier Stellantis-Marken Citroën, Fiat, Opel und Peugeot mit Fahrgestellen und Doppelkabinen, ebenso der Renault Master. Vor seiner Premiere steht auch der Ford E-Transit mit zahlreichen Varianten. Beim Mercedes Sprinter muss man sich in Sachen Vielfalt dagegen bis zum neu entwickelten E-Modell im Herbst 2023 gedulden. Umständlich ist es bei VW e-Crafter und MAN eTGE, dort schneiden einzelne Aufbaubetriebe die Karosserie ab und setzen Pritschen, Kipper oder Koffer darauf.

Muss man sich angesichts der neuen Vielfalt – abgesehen von den Kosten und Förderungen – keine Gedanken mehr bei der Anschaffung machen?

Doch, wer eine hohe Nutzlast benötigt, kommt wegen des Batteriegewichts nicht mit einem klassischen 3,5-Tonner aus, sondern muss zu einem Viertonner greifen. Bedenken wegen des auf 3,5 Tonnen begrenzten B-Führerscheins muss dabei keiner haben: Wer mindestens zwei Jahre Inhaber von Klasse B ist, darf innerhalb Deutschlands im gewerblichen Einsatz E-Fahrzeuge bis 4,25 Tonnen fahren, um das Mehrgewicht des Antriebs zu kompensieren. Sie sind von den Sozialvorschriften ausgenommen, und zwar bei Verwendung des Fahrzeugs in einem Radius von bis zu 100 km um den Standort des Unternehmens. Unveränderter Schwachpunkt: Nach wie vor ist eine freigegebene Anhängelast Mangelware.

Wie geht man mit der Stromversorgung von E-Transportern um?

Am sinnvollsten ist eine Ladung über Nacht im Betrieb an der eigenen Wallbox. Ob man sich eine Photovoltaikanlage auf dem Hallendach plus Batteriespeicher gönnt, muss jeder selbst wissen, die notwendige Speichergröße ist momentan noch sehr teuer. Bei mehreren Fahrzeugen im Fuhrpark sollte man frühzeitig mit dem Stromanbieter die notwendige Versorgungsleistung klären, sonst geht irgendwann womöglich im Wortsinn das Licht aus. Schnellladen unterwegs passt fürs Handwerk in der täglichen Praxis kaum, denn das setzt Zeit voraus oder eine freie Ladesäule beim Stopp in der Mittagspause. Falls Mitarbeiter abends einen Transporter mit nach Hause nehmen, stellt sich die Frage: Haben sie dort eine Lademöglichkeit?

»Am sinnvollsten ist die Ladung über Nacht an der eigenen Wallbox.«

Und wie finde ich den passenden E-Transporter?

Indem ich den potenziellen Einsatz genau kenne und bei der Auswahl einige Parameter beachte: Nutzlast und Karosseriegröße, die Kapazität der Batterie, die notwendige Reichweite und die Kosten. Mitunter helfen dabei auch die Apps der Hersteller.

Gibt es dabei Fußangeln?

Aber ja, manche Hersteller geben die Batteriekapazität nur als Bruttowert an. Zur Schonung des Akkus wird sie aber nur zu rund 90 Prozent genutzt. Mein Rat: unbedingt Reserven für den Winterbetrieb mit Heizung, Licht und Gebläse sowie für Umleitungen einkalkulieren. Und weiterhin bedenken, dass die gängige Garantie für Batterien zwar über acht Jahre läuft, aber nur bis rund 70 Prozent der Kapazität. Leasen statt kaufen klärt das schwierige Thema Restwert.

Weshalb aber sind E-Transporter eigentlich so teuer, etwa um den Faktor zwei zu herkömmlich angetriebenen Fahrzeugen?

Zwar entfallen Verbrennungsmotor, Getriebe und Abgasanlage. Preistreiber ist dafür die Batterie. Wer im Betrieb oder zu Hause eine Solaranlage mit Batteriespeicher betreibt, kennt das Thema: Je Kilowattstunde Kapazität ist dort mit 1000 Euro für den Akku zu rechnen. Das erklärt die hohen Preise für E-Transporter. Gleichzeitig ist Strom billiger als Sprit, davon profitieren Vielfahrer, die Kfz-Steuer entfällt zudem ebenso wie der teure Ölwechsel beim Service.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Kann die Brennstoffzelle mit Wasserstoff eine Alternative zum Betrieb mit Batterie sein?

Die Brennstoffzelle erzeugt den Strom aus Wasserstoff. Vorteile sind schnelles Tanken und erheblich größere Reichweiten. Aber der Preis der wenigen verfügbaren Fahrzeuge ist sehr hoch und es fehlt mit zurzeit rund 100 Wasserstofftankstellen in Deutschland auch noch die Infrastruktur. Auf der IAA 2018 präsentierten Mercedes und VW Brennstoffzellen-Prototypen von Sprinter und Crafter, doch danach wurde es still um diese Studien. An den Start gehen jetzt der Renault Master sowie die baugleichen Drillinge Citroën e-Jumpy, Opel Vivaro-e und Peugeot e-Expert.

Herr Unruh, vielen Dank für das Gespräch.


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