Ein Haus als Kunstwerk

23. September 2020, 11:31 Uhr | Jessica Stütz
Die verspiegelte Fassade dieses gebauten Trugbilds wurde von den Handwerkern verklebt (Foto: Alucobond /Stefan Altenburger und Torvioll Jashari)

Der amerikanische Künstler DougAitken hat ein Werk geschaffen,das im Rahmen einer zeitgenössischenKunstausstellung mit Namen „Desert X“ in Palm Springs /Kalifornien 2017 zum ersten Mal gezeigt wurde. Es handelt sich um die Abstraktion eines Wohnhauses, wie es in den 1920er-Jahren in Kalifornien erfunden wurde; eine Mischung aus den damals modernen Entwurfsgedanken des berühmten amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright und der üblichen Bauweise der Farmhäuser. Der Architekt hatte beispielsweise postuliert, dass ein Gebäude Teil der Umgebung werden und gleichzeitig eine gewisse Eigenständigkeit behalten solle.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Entwurfsgedanke vereinfacht und die Produktion der Häuser so weit wie möglich industrialisiert, um die große Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum, insbesondere in den Vorstädten, befriedigen zu können. So entstanden zahlreiche Häuser im sogenannten Ranch-Style und prägten weite Landstriche im amerikanischen Südwesten. Die als Site-Specific-Art, also ortsbezogene Kunst zu verstehende Arbeit von Doug Aitken wurde als temporärer Bau konzipiert und war für einen befristeten Zeitraum in der südkalifornischen Wüste zu bestaunen. Um die gewünschte Abstraktion zu erzielen, beraubte Aitken das Haus aller menschlichen Bezüge wie Farben oder Möbel und ließ sogar Türen und Fenster weg. Um den Spagat zwischen Integration in die Landschaft und Eigenständigkeit hinzubekommen, wurden die Innen- und Außenflächen des Baus nahezu vollständig verspiegelt.

Ein Haus als Kunstwerk

Die verspiegelte Fassade dieses gebauten Trugbilds
wurde von den Handwerkern verklebt (Foto: Alucobond /Stefan Altenburger und Torvioll Jashari)
Freier Blick nach draußen: Da das temporäre Haus weder Türen noch Fenster hat, ist der Kontakt der Besucher mit der Natur sehr direkt (Foto: Alucobond /Stefan Altenburger und Torvioll Jashari)
Verspiegelte Traumwelt: Im Haus scheinen sich Zeit und Raum aufzulösen (Foto: Alucobond /Stefan Altenburger und Torvioll Jashari)

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Neubau statt US-Import

Einige Jahre später wurde im rund 9500 km von Palm Springs entfernten Ort Gstaad in den Berner Alpen eine Ausstellung eröffnet, welche diese Arbeit zeigen sollte. Und obschon sich der Nobel-Urlaubsort in der Schweiz durch eine entspannte Weltoffenheit auszeichnet, wäre es dem Publikum wohl schwer zu vermitteln gewesen, was die Abstraktion eines Baustils der 1920er-Jahre von der US-amerikanischen Pazifikküste in dem 1049 m hoch gelegenen Skiparadies zu suchen hat. Und so entstand anstelle einer schlichten Translozierung ein Neubau.


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